Die Bewertung der Rechtschreibkompetenzen von Schülerinnen und Schülern stellt einen sensiblen Bereich der Bewertung und Zensierung im Deutschunterricht dar. In den nächsten Schuljahren wird diese durch die  erneute Überarbeitung des Amtlichen Wörterverzeichnisses und des damit verbundenen  Regelwerks der deutschen Sprache und die dadurch nötige Überarbeitung von Lehrwerken und Unterrichtsmaterialien zusätzlich beeinflusst werden. Die Gefahr von Überkorrekturen steigt. Nach den Studien zur Übereinstimmung in Aufsatzbeurteilungen aus den 1960er Jahren, die Anfang der 2000er Jahre verifiziert wurden, nahmen in den letzten Jahren Studien aus Österreich insbesondere dieses Phänomen in den Blick. 2019 zeigte eine Untersuchung, dass bei der Korrektur eines fiktiven, orthografisch und grammatikalisch fehlerfreien Textes von 200 Wörtern durch 164 Lehrkräfte teilweise bis zu 14 Fehler vermerkt wurden¹. Eine Untersuchung an 534 Matura-Arbeiten im Fach Deutsch, in der zusätzlich die Auswirkung von computer- und handgeschriebenen Texten betrachtet wurde, zeigte Überkorrekturen insbesondere im Bereich der Variantenschreibungen². Angesichts der großen Arbeitsbelastung in Korrekturphasen von Klausuren oder Prüfungen sind solche Erscheinungen kaum zu vermeiden. Sie zeigen aber, dass eine rein quantitative Fehlermessung entgegen der vermeintlichen Sicherheit zu einer Ungleichbehandlung führt. Aus diesem Grund findet sich in den landesspezifischen Vorgaben für die Korrektur komplexer Texte³ seit 2002 die Vorgabe, dass bei gehäuften Verstößen gegen die sprachliche Richtigkeit die Gesamtleistung um eine Notenstufe herabgesetzt werden soll (Nummer 2.5). Die Bestimmung des Aspekts „gehäuft“ birgt jedoch ebenfalls die Gefahr einer verschiedenartigen Lösung, sodass für die sprachliche Bewertung in den Prüfungen des Realschulabschlusses Kriterien für die Bewertung der Sprachleistung entwickelt wurden. Diese Vorgaben, die auf eine qualitative Fehlerbetrachtung ausgerichtet sind, lassen sich jedoch v. a. auch in den jüngeren Schuljahrgängen zur Diagnose und Förderung der Rechtschreib- und Grammatikkompetenzen einsetzen.

Die Nutzung der zu diesem Zweck wird auch im nächsten Schuljahr durch Fortbildungen und Abrufangebote unterstützt. Die Fortbildung ( 24F1880014) soll über den Nutzen der Qualitativen Fehleranalyse informieren und Korrekturzeichen vorschlagen, die sowohl den Schülerinnen und Schülern als auch den Lehrkräften zeigen, wo weiterer Übungsbedarf besteht. Das Abrufangebot zu diesem Thema hat zum Ziel, dass Sie in Ihrer Fachschaft Absprachen zum Einsatz der Qualitativen Fehleranalyse treffen können. Hierbei stehen Gründe für die Abkehr vom Fehlerquotienten im Vordergrund, ebenso wie ein Austausch über die Korrekturpraxis ohne mehr Zeitaufwand, aber mit mehr Aussagekraft.

¹     de Cillia, Rudolf und Ransmayr, Jutta (2019): Österreichisches Deutsch macht Schule. Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm. Wien: Bölau.

²     Ransmayr, Jutta (2021): Wenn der Rotstift Pause hätte: Zur Überkorrektur in orthographischen Spielräumen. In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes. Heft 1/2021. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. S. 94 – 108.

³    RdErl. des MK vom 13. 5. 2002 – 32/33-83200-202 „Bewertung von Klassen- und Prüfungsarbeiten vom Typ Aufsatz im Fach Deutsch in der Sekundarstufe I“